Haushaltsrede 2022
Am 30.11.2021 wurde im Rat der Stadt Herne der Haushalt für das Jahr 2022 verabschiedet. Auf Antrag der Fraktion der Linken gab es keine Aussprache zum Haushalt. Die Haushaltsreden wurden in diesem Jahre dem Protokoll der Ratssitzung beigefügt.
Nachfolgend die Haushaltsrede der FDP im Rat der Stadt Herne:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
Sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer – zum ersten Mal bei einer Haushaltsrede auch über Rathaus-TV – und sehr geehrte Vertreter der Presse,
bereits seit meiner ersten Haushaltsrede eröffne ich diese mit einem Zitat, was sinngemäß irgendwie die finanzielle Situation der Stadt widerspiegelt.
Diesmal kommt das Zitat von Mahesh Yogi, einem indischen Guru und Philosophen. Mahesh Yogi sagte sinngemäß: „Bekämpfe nicht die Dunkelheit, bring Licht, dann entschwindet die Dunkelheit von allein“.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was dieses mit dem Haushalt, der hier heute verabschiedet werden soll, zu tun hat?
Haushaltsreden in einer Haushaltssicherungsgemeinde wie Herne stehen eigentlich seit Jahren immer unter dem Motto “Und täglich grüßt das Murmeltier“: Im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen versuchten Politik und Verwaltung gemeinsam seit 2012 unter Ausschöpfung verschiedenster, teilweise kreativer, oder auch schmerzhafter Maßnahmen, einen genehmigungsfähigen Haushalt auf die Beine zu stellen.
Zur Erinnerung, meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere für diejenigen, die noch nicht so lange mit der Thematik befasst sind:
In der Theorie sollte der Stärkungspakt für die teilnehmenden Städte zunächst einen Haushaltsausgleich bis 2016 herstellen. Anschließend sollte ein eventueller positiver Finanzsaldo teilweise zur Reduzierung der aufgelaufenen Kassenkredite genutzt werden. Bis 2021 sollte auch dies erfolgt sein, so dass das „strukturelle Gesamtdefizit“ insgesamt auf Null zurückgeführt werden sollte.
Soweit zur Theorie!
Wo stehen wir heute? Von einer Lösung der Altschuldenproblematik seitens des Landes ist aktuell keine Rede mehr. Die historische Chance durch Land und Bund einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu erzielen, wurde vertan!
Wie wir alle wissen, läuft der Stärkungspakt jetzt zum Jahresende aus. In der Vergangenheit wurde von Seiten des Landes immer angekündigt, diesen in eine Altschuldenlösung zu überführen. Auch von Seiten des Bundes gab es immer wieder formlose Absichtserklärungen, sich der Altschuldenproblematik der betroffenen Kommunen anzunehmen.
Was hat dieses jetzt mit meinem Eingangszitat zu tun?
Schauen wir uns doch einmal an, was in den letzten Jahren in Herne passiert ist: Politik und Verwaltung haben versucht, die Auflagen des Stärkungspaktes einzuhalten. Dabei wurde in vielen Bereichen „gespart, bis es quietscht“, aber trotzdem hat man versucht die Stadt lebenswert zu halten und weiter in die Zukunft zu investieren.
Man könnte aber auch sagen, dass die Politik vor Ort sich zunehmend mit einem „rumdoktern“ an Symptomen beschäftigt hat und ständig Versäumnisse von Land und Bund gegenüber den Kommunen ausgleichen musste. Alle Projekte und Aktivitäten standen bzw. stehen im Schatten der Kassenkredite und der Altschulden in Höhe von rund 1,1 Mrd EUR, die wie ein Damoklesschwert über unser aller Köpfen hängen.
Faktoren wie rückläufige bzw. ausbleibende Beteiligungserträge von Sparkasse und Stadtwerke, Nachschüsse zum Erhalt des Herner Anteils am bilanziellen Eigenkapital der EWMR, Kosten durch erhöhte Anforderungen und Maßnahmen zum Klimaschutz und die noch nicht abschließend zu beziffernden Corona-Kosten lassen den Schuldenberg weiter ansteigen und machen eindringlicher als je zuvor deutlich, dass wir Hilfe von außen benötigen.
„Bekämpfe nicht die Dunkelheit, bring Licht, dann entschwindet die Dunkelheit von allein“,war mein Eingangszitat. Genau das haben wir in den letzten Jahren immer wieder versucht: Die Dunkelheit zu bekämpfen – wohlwissend, dass dieses nicht funktionieren kann.
Uns ist allen bekannt, dass Herne ein Einnahmeproblem hat, kein Ausgabenproblem. Die Möglichkeit nennenswerte Einnahmen zu generieren – und das wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist sehr überschaubar: Neben der Gewerbesteuer bleibt als große Stellschraube nur die Grundsteuer B übrig. Beide Stellschrauben wurden in der Vergangenheit mehrfach nachgezogen, um nicht zu sagen aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger auch überzogen.
Deshalb benötigen wir jemanden, der uns sprichwörtlich Licht bringt, um die Dunkelheit – unsere dauernd angespannte Haushaltslage – zu vertreiben.
Hier greift jetzt nicht das Prinzip Hoffnung, sondern der Vertrauensvorschuss in die neue Bundesregierung, die ihren Koalitionsvertrag unter das Motto „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ stellt
Im Abschnitt VIII – Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Finanzen wird im Bereich Bund-Länder-Kommunalfinanzen ganz klar ein Bekenntnis für leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen abgegeben. Ich zitiere – mit Ihrer Erlaubnis Herr Oberbürgermeister „Es gibt viele Kommunen mit hohen Altschulden, die sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dieser Situation befreien können. Ihnen fehlt die Finanzkraft für dringend notwendige Investitionen. Wir wollen daher diese Kommunen von Altschulden entlasten. Dazu bedarf es einer gemeinsamen, einmaligen Kraftanstrengung des Bundes und der Länder, deren Kommunen von der Altschuldenproblematik betroffen sind“.
An dieser erstmals in einem Koalitionsvertrag verschriftlichten (Absichts)Erklärung wird sich die neue Bundesregierung messen lassen müssen, um endlich einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu leisten. Hier hat sich die Beharrlichkeit des Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ mehr als ausgezahlt! Endlich eine Entlastung von den Altschulden
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn der eine oder andere von Ihnen dieses jetzt als „Prinzip Hoffnung“ abtuen sollte, habe ich jedoch hier eine entsprechende Erwartungshaltung an die Bundes- und Landespolitik, dass die Altschuldenproblematik der betroffenen Städte sich hiermit endlich lösen lässt und damit nicht nur zuletzt Herne dauerhaft das Zepter des Handelns wieder in die eigenen Hände gelegt bekommt.
Auch z.B. die Förderung von Langzeitarbeitslosen durch die Fortführung des Teilhabechancengesetzes und die angekündigte Unterstützung in der „Südosteuropaproblematik“ durch die neue Bundesregierung werden für Herne positive Effekte mitbringen.
Aber meine sehr geehrten Damen und Herren, wo Licht ist, ist auch Schatten: Was mir im Koalitionsvertrag in aller Deutlichkeit fehlt, ist das deutliche Bekenntnis zur zukünftigen Einhaltung des Konnexitätsprinzips. Hierzu hätte ich mir mehr Klarheit „im Kleingedruckten“ gewünscht.
Kommen wir zurück zum Haushaltsentwurf 2022. Ich werde jetzt nicht im Detail in Einzelpunkte einsteigen, möchte aber einige Punkte noch einmal hervorheben und unterstreichen:
Trotz der angespannten finanziellen Situation schafft es Herne dennoch zukunftsträchtige Investitionen zu tätigen. Mit einem Eigenanteil von ca. 117 Mio. EUR, werden verschiedenste Projekte angeschoben: Angefangen von Mittelbereitstellung für die Herner Schulmodernisierungsgesellschaft, über Investitionen im Bereich Kita-Ausbau bis hin zum Neubau der Hauptfeuerwache – um nur einige zu nennen.
Begrüßenswert ist, dass – zumindest erst einmal für 2022 – auf eine Erhöhung der Grundsteuer B um 85 Basispunkte verzichtet werden kann.
Die Maßnahmen, die dazu ergriffen werden – im Falle der Grundsteuererhöhung die Kompensation durch die Neuaufstellung der HGW und z.B. bei der Finanzierung der EWMR-Kosten durch eine Konzernlösung – kann man natürlich diskutieren und unterschiedlich bewerten. Von unserer Seite aus sind dieses jedoch legitime und kreative Mittel, um das Haushaltsloch zu stopfen und Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden.
Der Haushalt ist immer eine Momentaufnahme mit einer Planung für das nächste Jahr und einer weiteren Prognose für die Zukunft. Wie schnell es gehen kann, dass plötzlich Kosten entstehen, die vorab nicht erwartbar oder planbar waren, haben wir im Rahmen von Covid-19 gesehen.
Auch hier erwarten wir eine echte Erstattung von Corona-Hilfen durch Land und Bund und keine bilanziellen Isolationsmöglichkeiten, die ab 2025 dann den Haushalt konkret belasten und zur Kompensation dann vermutlich an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden müssten.
Der Herner Haushalt 2022 wird im Schatten einer neuen Bundesregierung, einer Regierung mit politisch gegensätzlichen Partnern verabschiedet. Die Karten auf Bundesebene werden dadurch neu gemischt. Bund und Land – wo auch im nächsten Jahr eine neue Regierung gewählt wird – sind wie noch nie in der Pflicht für eine nachhaltige Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen, damit die Herausforderungen der nächsten Jahre wie z.B. Klimaschutzfolgekosten und die Erneuerung der Infrastruktur gemeistert werden können.
Daran werden sich Land und Bund aus kommunaler Sicht messen lassen müssen. Ich erwarte, dass wir für den Haushalt 2023 schon Ergebnisse dazu sehen werden.
Damit komme ich jetzt zum Schluss
Sehr geehrter Herr Dr. Klee, für die Freien Demokarten Herne danke ich Ihnen und Ihrem gesamten Team für den guten und kollegialen Umgang und die gute Zusammenarbeit.
Ein besonderer Dank an dieser Stelle gilt auch allen Bürgerinnen und Bürgern, die trotz Covid-19 Pandemie ehrenamtlich die Stadt „am Laufen“ gehalten haben und für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt ein unentbehrlicher Eckpfeiler sind.
Ihnen, meine sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordneten danke ich für die konstruktive Zusammenarbeit und die Debatten im Jahr 2021.
Der vorgelegte Haushaltsentwurf spiegelt aus unserer Sicht die bescheidenen, aber dennoch realistischen Möglichkeiten wider, die unserer Stadt aktuell zur Verfügung stehen. Die Hoffnung auf Hilfe aus Bund und Land schwingt dabei im Lichte des Regierungswechsels mit.
Lassen sie uns weiter gemeinsam im nächsten Jahr konstruktiv an der Zukunft unserer Stadt arbeiten und den Druck auf Bund und Land beibehalten. Dann schaffen wir es nicht nur die Dunkelheit zu überwinden und Licht nach Herne zu bringen, sondern die Zukunft für Herne als lebenswerte Stadt in der Mitte des Ruhrgebiets positiv zu gestalten.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.